Möglicherweise das wahre Opfer

Die Wahl ist geschlagen, die Wunden werden geleckt. Ob die Überraschungen bereits verdaut sind, steht auf einem anderen Blatt. Die ultimative Sensation war jedenfalls weder der Sieg der ÖVP noch das Resultat der Roten und der Blauen, sondern das Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament.

Strategische Defizite haben dazu geführt, dass die Öko-Partei nach 31 Jahren nicht mehr im österreichischen Nationalrat vertreten ist. Ein Jahr ideologisches Schweigen, um den lieben Sascha in die Bundespräsidentschaftskanzlei zu bringen war ein Eigentor. Der zum Jahreswechsel mit einem geradezu desaströsen Hang zur Selbstzerfleischung ausgetragene Zwist mit der eigenen Parteijugend war wohl auch nicht das Klügste. Schonungsloser kann man Führungsschwäche nicht öffentlich machen. Der bald darauf folgende Abgang der Bundessprecherin Eva Glawischnig glich für so manchen Beobachter einer Flucht. Die daraufhin installierte Doppelspitze perpetuierte das Chaos. Schließlich war die Nichtnominierung von Peter Pilz ebenfalls ein wichtiger Mosaikstein des Dramas in grün. Dass die Wahlkampfthemen mehr als haarscharf an der derzeitigen Realität vorbei gewählt wurden, war offensichtlich. Selbstreflexion war ja bei den Grünen schon lange nicht mehr angesagt. Die zählte weniger als eine Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße. Der über Jahrzehnte aufgebaute Stimmenanteil war eben doch nur geborgt. Wenn es hart auf hart geht, ist auch der oftmalige Grünwähler dann doch lieber handfest.

So bleibt dem einzigen Spitzenrepräsentanten der Grünen, Bundespräsident Alexander van der Bellen, nur eines übrig: eine Bundesregierung anzugeloben, in der wieder kein grüner Minister mitregieren wird. Van der Bellen könnte übrigens das einzig wahre Opfer dieser Nationalratswahl sein. Denn wer soll ihm denn in etwas mehr als fünf Jahren – falls er wieder antreten will – seinen Wahlkampf organisieren? Die Grünen werden es wohl auch bei der nächsten Wahl nicht mehr ins Parlament schaffen. Das wäre gerade noch rechtzeitig vor der nächsten Wahl des Staatsoberhauptes gewesen. Perdu! Von den Landesparteien wird die Koordinierung eines Wahlkampfs für das Amt des Bundespräsidenten nicht zu erwarten sein. Leicht möglich, dass der von den Grünen im Dezember bejubelte Sieg van der Bellens nichts anderes als ein Pyrrhussieg für die gesamte Bewegung war.

Autor:

Christian Lang_LangTomaschtikCommunications

Dr. Christian Lang

Möglicherweise das wahre Opfer

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