Was heißt schon fremd?

Wir Österreicher sind daran gewöhnt, überall auf der Welt fremd zu sein. Mit knapp neun Millionen Einwohnern auf 84.000 Quadratkilometern sind wir global gesehen mit freiem Auge kaum sichtbar.  Deutsch als erste Sprache sprechen gut 100 Millionen Menschen. Das sind aber nur 1,3 Prozent der Weltbevölkerung.

Also passen wir uns auf Reisen zwangsläufig an. Österreicher sprechen im Ausland selbstverständlich englisch. Das können wir recht gut. Obwohl: so einfach ist das auch wieder nicht, weil es so viele verschiedene Ausprägungen des Englischen gibt. Akzent, Wörter und Redewendungen unterscheiden sich je nach Region sehr stark. Manchmal ist es einfacher, einen indischen Taxifahrer auf Anhieb zu verstehen als einen CFO aus Dallas, Texas. Mit ein bisschen Eingewöhnung laufen die Konversationen aber bestens.

Dann die Begrüßung. Das Händeschütteln hat Europa erfolgreich exportiert. Fast jeder kennt es, nicht alle mögen es. Also halten wir im Zweifelsfall Abstand. Wir haben gelernt, dass das Gegenüber in seiner kulturellen Identität zu respektieren ist. Manchmal scheint es, als würden überall auf der Welt die gleichen Kulturratgeber kursieren, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Wie sonst wäre es zu erklären, wenn ein Australier aus Perth einen offensiven Handkuss anbringt? Alle möchten immer alles richtig machen. Nicht nur wir Fremden, sondern auch die Leute, die dort leben, wo wir hinreisen.

Diese Erkenntnis entspannt. Man braucht sich auf Reisen nicht vor dem nächsten Fettnapf zu fürchten, sondern kann sich auf das konzentrieren, weshalb man hingefahren ist. Also auf das Geschäft, oder, wenn man privat unterwegs ist, darauf die Leute und das Land kennenzulernen. Das ist wirklich spannend. Anderswo haben die Menschen einen komplett anderen und unerwarteten Blick auf die Welt. Sie diskutieren andere Themen und haben für die Wirklichkeit überraschende Interpretationen parat.

„May I touch you?“ fragte ein kleines Mädchen in Afrika. Die Mutter erklärte, dass einer Erzählung zufolge, die Weißen weiß sind, weil sie keine Haut haben. Die Tochter wollte eben wissen wie sich ein Mensch ohne Haut anfühlt.

Ich bin richtig froh, dass es so viel Fremde gibt, in der man sich exotisch fühlen darf.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Was heißt schon fremd?

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