Alternative facts: Ein Geschenk an die Medien

Alle, die sich fragten, was vom neuen Präsidenten der USA wirklich zu erwarten sein wird, wissen das seit dem Auftritt von Trump-Beraterin Kellyanne Conway sehr genau: „alternative facts“ ist das Zauberwort, mit dem das mächtigste Land der Welt künftig regiert werden wird; also die Darstellung einer Wirklichkeit, wie sie auch sein könnte. Oder auch nicht. Oder eine, die herbeigeredet wird.

Gleich darauf erfuhr die verblüffte Weltöffentlichkeit, dass die Trump´sche Inauguration von weit mehr Menschen besucht worden sei als jede andere Angelobung eines US-Präsidenten zuvor. Es gab das größte Publikum aller Zeiten. Punktum. Auch wenn die Passagierzählungen der Washingtoner U-Bahn und ein Vergleich mit historischen Fernsehbildern einen ganz anderen Schluss nahelegten.

Dieses alternative Faktum war eine glatte Lüge – und eine sehr unintelligente noch dazu, weil sie ganz leicht zu entlarven war. Möglicherweise ist sie ein Hinweis auf die Abwesenheit jeglichen Raffinements in der Washingtoner Politik. Gewieft wäre es gewesen, die Fakten wirklichkeitsgetreu abzubilden und eine Interpretation zu liefern, die Trump in bestem Licht erscheinen lässt.

Aber nichts da. Es wurde mit dem Holzhammer zugeschlagen und dreist gelogen. Und damit hat Trump den von ihm gehassten Medien unfreiwillig und frei Haus eine große Chance geschenkt. Das Weiße Haus liefert den Medien täglich neue Möglichkeiten, sich zu profilieren: Trump setzt das asiatische Handelsabkommen TPP aus. Es gilt eben `America first´. Und alles, das für Asien gut ist, ist für die USA schlecht. Es ist den Qualitätsmedien vorbehalten, die Entscheidung zu analysieren und die Fakten zu berichten.

Trump will eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen. Die gibt es in Form von Zäunen und Grenzschutzpatrouillen seit vielen Jahren. Nur nützt das nichts, weil die USA die Arbeiter aus Mexiko benötigen, und die mexikanischen Arbeiter Dollars brauchen. Eine Mauer wird an dem grenzüberschreitenden Tauschbedarf nichts ändern. Wieder haben Medien kommentiert, analysiert und das Bild zurechtgerückt.

Durch die Erfindung der „alternative facts“ werden klassische Medien unentbehrlicher denn je. Weil nur sie die Fakten überprüfen und zuverlässige Informationen bieten können. Aber dieses Faktum hat sich Trump sicher auch anders vorgestellt.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Alternative facts: Ein Geschenk an die Medien

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