Das Leben der Anderen

Über meine Erziehung hat sich noch niemand beschwert. Meine Eltern haben mich die Grundregeln des – heute würde man sagen – sozialen Zusammenseins gelehrt. Also mal das kleine ABC sozusagen. Grüßen, wenn man jemanden trifft, Antworten, wenn man gefragt wird, Dinge erledigen, deren Erledigung man zugesagt hat – und natürlich noch vieles andere mehr. „Benimm Dich!“, war die Standardaussage, wenn ich etwas in dieser Frage nicht gleich so gemacht habe, wie sie es sich vorgestellt hatten. Ich denke, meine Eltern haben meine Erziehung ganz gut hinbekommen.

 

Mittlerweile werde ich aber nach wie vor erzogen. Die Gründe liegen darin, dass unsere Politiker sehr oft und sehr gerne wissen, was wir tun sollten. Ich zuckle daher an den irrationalsten Stellen mit meinem Auto mit 30 km/h dahin, damit ich der Straßenverkehrssicherheit diene – selbstverständlich mit angeschnalltem Gurt. Eine Zigarette werfe ich auch nicht mehr aus dem fahrenden Auto, sondern dämpfe sie brav im Aschenbecher aus. Eh klar, mit schlechtem Gewissen. Denn Rauchen ist ungesund. Und da ich ungern irgendeinen Knopf im Ohr habe – mein Ohr ist hier nämlich sehr sensibel – telefoniere ich im Auto auch nicht mehr. Das mit der Zigarette gilt mittlerweile auch beim Spazierengehen. In der Innenstadt husche ich von öffentlichem Aschenbecher zu öffentlichem Aschenbecher, um nur ja keinen Tschick-Rest auf der Straße austreten zu müssen.

 

Bevor irgendeine Regierung mit Beteiligung der Grünen vielleicht auf die Idee kommt, einen Veggie-Day einzuführen, habe ich beschlossen, einmal in der Woche vegetarisch zu essen. Gesund ist es ja. Und bei der Bank zücke ich schon bei kleinsten Einzahlungen auf mein Konto meinen Reisepass. Man weiß ja nie, ob die Summen, bei denen der Vorweis des Dokuments vorgeschrieben ist, schon wieder weiter gesenkt wurden und ich mich vielleicht bald einmal rechtfertigen muss, dass ich überhaupt noch Geld bei mir habe.

 

Die Politiker denken also zu wissen, wie ich mich verhalten soll. Aber warum wissen sie es denn immer nur für die anderen und nicht auch für sich selbst? Ab und zu würde ich in die Diskussion gerne ein „Benehmt euch!“ einwerfen.

Autor:

Christian Lang_LangTomaschtikCommunications

Dr. Christian Lang

Das Leben der Anderen

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