„Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ hieß eine Bücherreihe des Spiegel-Autors Bastian Sick, die ab den Jahren 2004 erschien und die er als Wegweiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache bezeichnete. Im Grunde genommen war es eine Kompilation seiner SPIEGEL-Kolumnen zum Thema deutsche Grammatik, mit denen er beim Leser Reaktionen hervorrief, die das breite Spektrum von ratloser Heiterkeit bis heiterer Ratlosigkeit abdeckten. Er hatte das Todestal des Genitivs geortet, in dem das schleichende Hinscheiden des sogenannten Wesfall der deutschen Grammatik stattfinden würde.
Heute, mehr als zehn Jahre später, sieht die Sachlage etwas anders aus. Stünden wir vor Gericht, um den Meuchler des armen Genitivs zur Verantwortung zu ziehen, so würde ich argumentieren: „Mitnichten, Euer Ehren, ist die Verantwortung am gewaltsamen Dahinscheiden des Genitivs ausschließlich dem hier angeklagten Dativ anzulasten. Der wahre Täter, Herr Rat, ist der Apostroph. Er hat sich in einer heimtückischen Verschwörung des Opfers bemächtigt, ihm die Würde des s genommen und ist somit der wahre Hauptschuldige an dessen Ableben.“
Ich fahre durch Wien´s schönste Kellergasse –die grammatikalisch richtig eigentlich Wiens schönste Kellergasse sein sollte – komme bei Susi´s Nagelstudio vorbei und stoppe vor Oma´s Blumenladen, um einen Strauß Blumen zu kaufen. Es sind aber nicht nur Schildermaler und Kleingewerbetreibende, die sich zu einer speziellen Apostroph-Verwendung durchgerungen haben.
If you can´t beat them, join them wird sich der Duden in Neudeutsch auf Grund der letzten Rechtschreibreform gedacht haben und gestattet immerhin der lieben Susi den Apostroph zur Verdeutlichung der Grundform ihres Eigennamens gelegentlich. Ob das jetzt die richtige Gelegenheit war? Von Ästhetik wollen wir dabei ja gar nicht sprechen. Aber Recht – und bei Grammatik handelt es ja um nichts Anderes – und Ästhetik passen ja nicht unbedingt immer zusammen.
So, und da verlassen wir jetzt den gemordeten Genitiv und sehen, dass der Apostroph ein noch viel gefährlicherer Täter ist als bisher angenommen. Er macht vor nichts Halt! Denn die in Oma´s Blumenladen erstandenen Blumen nehme ich mit auf´s Gartenfest, um sie der Dame des Hauses, warum eigentlich nicht des Haus´?, zu überreichen!
Autor:
Dr. Christian Lang