Österreich hat einen neuen Bundespräsidenten. Wenn dieser Blog online geht, wird diese Wahl bis ins Detail analysiert und alles, das dazu zu sagen ist, mehrfach gesagt worden sein. Ein hoch interessanter, in internationalem Zusammenhang zu sehender Aspekt der Wahl, ging bislang komplett unter.
Am gleichen Tag, dem 4. Dezember, wurde auch in Italien abgestimmt. Formal war der Urnengang keine Wahl, sondern eine Abstimmung über geplante Verfassungsänderungen. De facto war es doch eine Wahl. Ministerpräsident Matteo Renzi trat, da sein Verfassungsprojekt keine Mehrheit fand, von seinem Amt zurück. Das hatte er schon vorher für diesen Fall in Aussicht gestellt.
Bemerkenswert ist die Aufmerksamkeit, die den beiden Ereignissen gewidmet wurde. Dass der österreichischen Wahl von den hiesigen Medien höchste Priorität eingeräumt wurde und die italienische Abstimmung in Italien mehr Platz und Sendezeiten bekam, ist keine Überraschung. Überraschend ist, dass in anderen europäischen Ländern die Medien die österreichische Präsidentenwahl mehrheitlich vorreihten und die Beiträge insgesamt prominenter platzierten. Die Berichterstattung ließ darauf schließen, dass es bei der österreichischen Wahl auch für Europa wenn schon nicht um alles, so doch um sehr viel ging.
Dieser Vorrang hätte eher Italien gebührt. Die unmittelbare Auswirkung auf das Leben der EU-Bürger ist hier viel unmittelbarer gegeben. Das südliche Nachbarland steckt, nicht zuletzt wegen einer veritablen Bankenkrise, in massiven Schwierigkeiten, die auch den Euro ins Schleudern bringen können; samt allen katastrophalen Begleiterscheinungen, die aus der Griechenland-Krise bekannt sind. Doch statt eines entschlossenen Managements, das in Brüssel und zuhause gleichermaßen professionell agiert, hat das Land jetzt auch noch eine Regierungskrise. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die Folgen der italienischen Abstimmung die EU und damit auch uns lange beschäftigen werden.
Die hiesige Wahl hätte unabhängig vom Ausgang die EU-Mitbürger nicht beeinträchtigt. So mächtig ist Österreich nicht. Natürlich ist es angenehm, wenn man bei Auslandsreisen nicht als Nazi beschimpft wird, und die Tourismusbetriebe können aufatmen, weil die befürchteten massenhaften Stornos von Winterurlauben ausbleiben werden. Über diese Entwicklung dürfen wir uns freuen. Europa oder gar die Welt beeinflussen wird sie nicht. Da braucht es anderes.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik