Die Empörung hält den Atem an

Innerhalb von zwei Wochen traten gleich zwei prominente Politiker zurück, und sie gaben dafür im Wesentlichen die gleichen Gründe an. Beide beriefen sich unter anderem auf enormen Druck, hervorgerufen durch Beschimpfungen n sozialen Medien. Die Empörungsindustrie hielt ob solcher Offenheit für einen Moment den Atem an. Gut so. Hoffentlich dauert der Moment eine Ewigkeit.

Öffentliche Personen, die Politiker nun einmal sind, werden als Abladestelle für eh alle Frustrationen gesehen. Wer das nicht glaubt, möge einmal einen Blick in die sozialen Medien werfen und ansehen, wer weshalb und in welcher Form beschimpft wird. Kleinste Kleinigkeiten werden unbarmherzig geahndet. Ein falsches Wort zur falschen Zeit löst sintflutartige Shitstorms aus. Der Zusammenhang, in dem das falsche Wort gefallen ist, interessiert dann ohnehin niemanden mehr. Es ist schon klar, wehleidig zu sein ist auch keine Lösung. Vor allem wenn man das Medium ganz gerne auch für seine eigenen Interessen verwendet hat. Aber alles muss man nicht schlucken.

Dieses Verhalten ist nicht nur unfair, sondern auch unintelligent, weil es auf beiden Seiten auf die Verschwendung von Ressourcen hinausläuft. Tit for tat heisst es in der Spieltheorie. Wenn Du kooperierst, kooperiere ich auch. Wenn Du es nicht mehr tust, stelle ich auch die Unterstützung ein, und das solange bis Du wieder zusammenarbeitest. Das macht als Handlungsanweisung für eine zielorientierte Kommunikation Sinn. In den sozialen Medien läuft es meistens anders. Oft ist es schon der falsche Adressat, der mit Anwürfen behelligt wird, oder der Anlass ist gar nicht der Rede wert und basiert eher auf einer persönlichen Befindlichkeit des Angreifers denn auf einem tatsächlichen Missstand.

Dabei gibt es genug worüber sich zu diskutieren lohnte. Ein Sachthema wie zum Beispiel die Kalte Progression. Oder Philosophisches wie die strikte Trennung der Welt in gut und böse. Für einen effizienten Diskurs müssten die Themen erst einmal von den sie überlagernden Befindlichkeiten freigeräumt werden. Das wäre schon einmal eine erste Herausforderung. Und die Ressourcen von Zeit und Kraft auf beiden Seiten wären nicht verschwendet.

Aber dann kann man sich natürlich auch nicht mehr empören.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Die Empörung hält den Atem an

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