Die Moralelite

Mitten im Advent denkt man gern über Wesentliches nach. Zum Beispiel darüber, warum lästige Erledigungen, die auf lange, dunkle Winterabende verschoben wurden, nun doch nicht abgearbeitet werden. Oder ob die ins Auge gefassten Geschenke neben der wichtigen Anforderung, nämlich bei den zu Beschenkenden gut anzukommen, auch der zweiten ebenso wichtigen, dem Anspruch des moralisch Einwandfreien, genügen. Also wird die CO² Bilanz von e-Books recherchiert und mit jener der auf Papier gedruckten Version verglichen. Bei Kleidungsstücken muss auf Herstelleretiketten die winzige Zwei Punkt-Schrift entziffert werden, um die ökologische Tauglichkeit zu prüfen. Pullover aus kurzfaserigem, preiswertem Kaschmir kommt keinesfalls in die Tüte. Der langfaserige und haltbare ist teuer. Aber was soll´s. Man trägt Verantwortung gegenüber den Adressaten und dem Planeten.

Später erfreut man sich dann am tollen Gefühl trotz des riesigen Einkaufs umwelttechnisch lediglich einen winzigen Fußabtritt hinterlassen zu haben. Man gehört ja gerne zu den Guten. Das schmeichelt dem Ego, ist aber möglicherweise nur die helle Seite der Wahrheit. Die andere Seite ist dunkel und lautet, dass jenen, die immer richtig kaufen und konsumieren zwangsläufig eine Gruppe gegenübersteht, die alles falsch macht. Weil sie gar nicht anders kann. Ein faires Leben mit allen attraktiven Begleiterscheinungen muss man sich leisten können. Die Weihnachtsgans vom Waldviertler Biobauern kostet rund sechs Mal so viel wie das billige Pendant aus dem Tiefkühlregal, dessen Existenzbedingungen zu Lebzeiten man sich gar nicht vorstellen will. Bei den oben erwähnten Kaschmirpullovern weist das Qualitätsprodukt am Preiszettel glatt eine Null mehr aus.

Die ökologische Unbedenklichkeit ist zudem immer auch mit einem komfortablen Einkaufserlebnis verbunden. Die Verkäufer sind höflich und zuvorkommend und selbst beim Kauf im Internet läuft die Kommunikation gar nicht anonym. Ausreichende finanzielle Mittel schaffen eben die Chance zur Differenzierung in allen Lebensbereichen. The Winner takes it all. Die moralische Überlegenheit ist der wahre Luxus. Da fällt nicht ins Gewicht wie viel konsumiert wird. Hauptsache ist, dass mit dem Kauf auch irgendetwas Sinnvolles gesponsert wird. Ausgespielt hat, wer da nicht mitmacht. Die Gründe sind egal. Auch ob das fair ist oder nicht.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Die Moralelite

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