In Europa wird ein Rechtsruck der Wählerschaft beklagt. Das läge daran, so das hier sehr verkürzt zusammengefasste Urteil, dass die brennenden Themen den rechts orientierten Parteien in die Hände spielen. Das stimmt schon. Immigrationsdruck, Jobverluste und stagnierende Arbeitseinkommen befördern Unsicherheiten. Und im Zweifel wählt man dann halt konservativ.
Andererseits hindert die Sozialdemokratie niemand daran, ein eigenes spannendes und brandaktuelles Thema zu finden. Als solches bietet sich der Finanzkapitalismus, siehe Apple & Co, geradezu an. Seit Jahren liegt die Materie unaufgeklaubt auf der Straße. Die Vorstöße zur Finanztransaktionssteuer und Exempel einer beherzten EU-Kommissarin haben ein bisschen daran geschubst, aber ins Rollen gekommen ist die Angelegenheit nicht. Abgesehen davon hätte eine Finanztransaktionssteuer das Geldkarussell allenfalls marginal verteuert. Das System verändert hätte sie nicht. Eine Abgabe von einigen Cent zerkratzt nicht die Attraktivität eines Transfers von einem Land mit einem 30prozentigen Steuersatz in eines mit drei Prozent.
Der globale Finanzkapitalismus zeigt viele Parallelen zum Produktionskapitalismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Auch er führt zur dramatischen Konzentration von Vermögen in wenigen Händen. Die Sozialdemokratie könnte sich auf den Fundamenten ihrer eigenen Geschichte neu erfinden. Und der Zuspruch der Basis wäre ihr gewiss. Die Komplexität des finanztechnischen Hintergrunds und der Abläufe dürfte kein Hindernis sein. Spezialisten für schwierige Fachgebiete gibt es in allen Parteien, auch solche für globale Finanzströme und Kommunikatoren, die die Übersetzung in eine allgemein verständliche Normalsprache vornehmen.
Zweifellos ist der Finanzkapitalismus ein extrem herausforderndes Thema. Gerade deswegen hat es auch das Zeug zum parteipolitischen Longseller. Die Aufgabe lässt sich sicher nicht rasch lösen und wahrscheinlich auch nicht ein für allemal. Und es wäre auch Kreativität vonnöten. Schlichte Verbote werden nichts bringen. Dafür sind Steuerparadiese einfach zu verlockend. Diese Zahnpasta wird auch mit Megastrafen nicht in die Tube zurückzubringen sein. Der gesuchte Trick liegt darin, das System so zu entwickeln, dass es für eine möglichst große Zahl von Menschen möglichst hohe Vorteile bringt.
Im 19. Jahrhundert hat man ja auch nicht Maschinen verboten, weil sie produktiver und somit in einer gewissen Weise besser als Menschen waren.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik