Das Volk will es!

Im ARD-Interview dieser Woche hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan neben einigen anderen interessanten Aussagen auch sein Demokratieverständnis zum Besten gegeben. Wenn das Volk etwas will, dann soll es das auch bekommen. Es ging dabei nicht um Steuererleichterungen oder längere Urlaubszeiten. Nein, es ging um ein so sensibles Thema wie die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Republik Türkei. So, so, das Volk will es also. Die Frage, die sich stellt, ist, wer denn das Volk glauben machte, dass es diese barbarische Form der Bestrafung will. Wie schön, dass sich Erdogan dabei auf die Position des Erfüllers des „völkischen“ Willens zurückziehen kann. Wenn das Volk die Wiedereinführung der Todesstrafe wolle und das türkische Parlament diese beschließe, dann werde er der Entscheidung nicht im Wege stehen, ließ er verlautbaren.

Die Vorgangsweise erinnert an das „Deus lo vult“, das die Menschenmenge 1095 auf der Synode von Clermont skandierte, um so Papst Urban II. ihre Zustimmung zum ersten Kreuzzug zu signalisieren. Sie erinnert auch sehr stark an alles Völkische, das Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erleben musste. Volkes Mut, Volkes Jugend, Volkes Sturm und Drang, Volkes Zähigkeit und natürlich Volkes Wille – wir wissen alle, wie es Schritt für Schritt begann und wie es auf dem Rücken von Millionen endete. Schließlich erinnert diese Vorgangsweise auch an die Kulturrevolution in China, wo es plötzlich Volkes Wille war, die Intelligenz des Landes zu zerstören.

Ob Kirchen, rechte Regime oder Linkausleger, sie alle wussten und wissen zu manipulieren und den viel zitierten Willen des Volkes für ihre politischen Absichten zu nutzen. Das schafft auch Erdogan perfekt. Damit keine Unklarheit aufkommt: Ein Militärputsch gegen einen demokratischen Staat ist aufs Schärfste zu verurteilen. Aber wie stark eine Demokratie in einem Land verankert ist, zeigt sich genau daran, wie es mit den Putschisten nach der Niederschlagung einer Revolte umgeht. Da drängen sich bei der türkischen Führung ernste Zweifel auf. Hoffen wir nur, dass blauäugige EU-Politiker die Überweisung der letzten Rate für die Flüchtlings-Kooperation nicht mit „Peace for our time“ quittieren.

Autor:

Christian Lang_LangTomaschtikCommunications

Dr. Christian Lang

Das Volk will es!

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