Ich habe ja nichts zu verbergen

In Diskussionen über Datensicherheit und Überwachung fällt irgendwann der Satz „Ich habe ja nichts zu verbergen. Von mir kann man alles wissen.“ Selbstverständlich. Wir sind anständige Menschen und haben grundsätzlich nichts zu verheimlichen. Allerdings liegt dem „von mir kann man alles wissen“ ein eklatantes Missverständnis mit fatalen Folgen zugrunde. Und das erstaunlicherweise auf die digitale Welt beschränkt zu sein scheint.

In der analogen Welt käme niemand auf die Idee sein privates Leben öffentlich auszubreiten; mit Ausnahme einiger it-Menschen, deren Anzahl nicht repräsentativ ist und die daher ausgeklammert bleiben. Hier wird mit Informationen sehr diskret umgegangen und situativ entschieden, was erzählt wird und was nicht. Bewusst oder unbewusst werden feine Abgrenzungen vorgenommen. Plaudereien über Urlaube, Sport und die Planungen für das kommende Wochenende? Die sind auch unter Fast-Fremden üblich. Bei privateren Informationen überlegt man hingegen schon genau, was an wen weitergegeben wird. Man möchte schließlich keinen Tratsch.

Im Internet gilt das alles mit einem Schlag nicht. Dabei geht es um mehr als um die Preisgabe möglicherweise imageschädlicher oder strafrechtlich relevanter Daten. Obwohl auch in diesem Punkt Vorsicht angebracht ist. Welches Verhalten geächtet ist, unterliegt einem gesellschaftlichen Konsens. Und der kann sich ändern. In der Volksrepublik China werden für per Datensammlung kontrolliertes Wohlverhalten Punkte vergeben. Die Anzahl der Punkte entscheidet über vieles, von der Möglichkeit Urlaubsreisen zu buchen bis zu den Ausbildungschancen für den Nachwuchs.

Der wesentliche Punkt ist, dass vollkommen transparente Menschen ohne jegliches Geheimnis auch vollkommen manipulierbar sind. Jede übermittelte Information kann auf die Vorlieben des Adressaten zugeschnitten werden. Wenn das bei Urlaubsreisen oder Büchern geschieht, mag das vielleicht nur ärgerlich sein. Falls die gesammelten Daten für eine manipulative Meinungsbildung eingesetzt werden – zum Beispiel, indem die Auswahl politischer Nachrichten passend zum Wertesystem eines Nutzers erfolgt – wird die freie Meinungsbildung und damit die Demokratie obsolet.

Glücklicherweise lassen sich Datenspuren im Netz nach wie vor so weit verwischen, dass die Erstellung eines Psychogramms nicht möglich ist. Sicherheitsgesetze, die das Datensammeln und Verknüpfen derselben erlauben, würden das ändern. Daher sollten wir uns solche Gesetze möglichst ersparen.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Ich habe ja nichts zu verbergen

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