Optimistin müsste man sein. Immer zuversichtlich und mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen sich und andere davon überzeugend, dass welches Projekt auch immer nicht nur gut gehen, sondern geradezu fulminant erfolgreich sein wird. Das gilt nicht nur für Frauen, auch Männer sind angehalten unentwegt eine rosarote Kuschelwohlfühlatmosphäre zu schaffen. Eine positive Stimmung zeugt von Kraft und Dynamik. Sie ist das Parfum der Starken und Durchsetzungsfähigen.
Mir gefällt der Pessimismus besser. Wenn ich zwischen Optimismus und Pessimismus wählen sollte, was natürlich lediglich eine hypothetische Alternative ist, würde ich mich für die im Ruf der Mieselsüchtigkeit stehende Richtung entscheiden. Schon deswegen, weil die Berücksichtigung möglicher Hürden keineswegs negative Folgen hat. Wenn ich darüber nachdenke, was bei meinem nächsten Auftritt bei einer Podiumsdiskussion passieren kann, befördert das nicht den Misserfolg, sie verhindert diesen sogar. Werde ich vom Podium fallen? Eher unwahrscheinlich. Superhohe Highheels sind nicht meine Sache, weshalb ich recht trittsicher bin. Wird der Strom ausfallen und wir mikrophonberaubt im finsteren Saal sitzen? Für solche Fälle wurden Notstromaggregate erfunden, die blitzartig für Helligkeit und funktionierende Technik sorgen. Könnte ich mich bei der Vorbesprechung mit Kaffee bekleckern? Eventuell. Aber wer will schon in die Geschichte eines Diskussionsabends mit einem Anekdötchen über eine kaffeebefleckte Jacke eingehen. Lieber wäre mir, das Publikum erinnerte sich an ein paar kluge Sätze. Ich werde also ein Ersatzoutfit einpacken.
Gewappnet und alle mögliche Unbill bedacht habend betrete ich die Bühne. Die sichere Gewissheit, dass nichts Unerwartetes geschehen wird, befreit. Ich kann mich ganz auf die Diskussion konzentrieren. Der Erfolg der Methode hat mich zu einer berufsmäßigen Pessimistin gemacht. Bei jedem Vorhaben suche ich nach den Knackpunkten, die das Projekt scheitern lassen könnten. Und gebe keine Ruhe, bis Lösung für die potenziellen Probleme gefunden sind.
Das funktioniert prächtig. Bei einer Störung, und die tritt bei jedem anspruchsvollen Projekt unweigerlich mindestens einmal ein, kann auf einen Katalog möglicher Gegenmaßnahmen zurückgegriffen werden. Das spart unheimlich viel Zeit und Kraft. Und es verhindert Fehler, die unter Termindruck leicht unterlaufen könnten. Ich bin wirklich eine begeisterte Pessimistin.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik