Wir funktionieren mit der Präzision teurer Uhrwerke, teilen Zeit und Arbeitskraft minutiös ein, trennen Wichtiges und Dringendes von nicht so Wichtigem und weniger Eiligem, führen einen lückenlosen Kalender und lassen uns vom Smartphone an Termine erinnern, damit wir sicher nichts verpassen. Kurzum: Wir sind zuverlässig. Und wir wollen das auch sein. In diesem Punkt zählen wir unverrückbar zur überwiegenden Mehrheit der Menschen. Zuverlässigkeit impliziert Vertrauen und Vertrauen zieht nach sich, dass die eigene geleistete Arbeit von anderen als gut erachtet wird. Das wollen fast alle Menschen. Wir wollen Qualitätsarbeit liefern und dafür geachtet werden.
Doch dann kommt trotz aller Bemühungen Sand ins Getriebe. Ein verspäteter Flug, ein unvermuteter Verkehrsstau werfen den Ablauf über den Haufen. Die Enttäuschung hält sich in Grenzen, weil es sich hier um sozusagen höhere Gewalt handelt. Aber was geschieht, wenn die Ursache des unerfreulichen und unerwarteten Ereignisses an einem konkreten Menschen festgemacht werden kann? Man ist verabredet, findet sich zum vereinbarten Zeitpunkt am fixierten Ort ein und – wartet, wartet lange, sehr lange. Die Minuten dehnen sich zu Ewigkeiten und die Laune sinkt tiefer und tiefer. Betroffene werden sich ob der massiven Verspätung eines Gesprächspartners unweigerlich missachtet fühlen. Da mögen vorgebrachte Erklärungen und Entschuldigungen noch so stichhaltig sein.
Ist es so, dass wir zuverlässig und präzise sind, und alle anderen zumindest gelegentlich nicht? Sind wir so unfehlbar? Das ist unwahrscheinlich. Eher ist es so, dass sich die Zuverlässigkeit samt sporadischer Lücken recht gleichmäßig verteilt. (Ausgenommen sind notorisch Unkorrekte, die Sie aber sicher schon aus Ihrem Leben entfernt haben.) Oder haben Sie noch nie etwas vergessen?
Technische Systeme gelten als sicher, wenn sie eine Zuverlässigkeit jenseits von 98 Prozent erreichen. Hundert Prozent sind nicht erzielbar. Nun sind wir Menschen natürlich keine Maschinen und sollen auch nicht mit diesen verglichen werden. Aber ein bisschen etwas abschauen dürfen wir uns selbstverständlich schon. Wenn wir uns selbst und allen anderen ein Präzisionsniveau in der Größenordnung technischer Systeme zugestehen ist das für alle von Vorteil. Es lebt sich leichter und jedes Begrüßungslächeln ist wirklich echt.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik