Es beginnt ja mindestens vier Wochen vor dem Heiligen Abend. Irgendwie muss man seine Lieben dazu bringen, den ominösen Brief ans Christkind zu schreiben. Egal, ob er ans Fenster gelegt wird, per E-Mail kommt oder einfach ins Ohr geflüstert wird. Er muss her! Damit man, Himmel, Herrgott, nochmal – nein Fluchen geht in der stillsten Zeit des Jahres nicht – also, damit man glücklicherweise noch ausreichend Zeit hat, sich ins Getümmel zu schmeißen und sich quer durch die Stadt auf die Jagd nach dem Gewünschten begeben kann. A propos stillste Zeit des Jahres! Warum wird im Straßenverkehr gerade um diese Jahreszeit so viel gehupt? Wahrscheinlich auch nur eine Form des Kommunikations- und Mitteilungsbedürfnisses. Was damit gesagt werden soll, bleibt mir meistens aufgrund von Codierungs- und Decodierungsfehlern unbegreiflich. Und das wenige, das ich verstehe, ist von unchristlichem Unterton begleitet.
Bei der beruflichen Weihnachtskommunikation sind wir modern – eine Glückwunschkarte per E-Mail. Das bedeutet etwa vierwöchigen Abstimmungsbedarf, dann haben wir uns auf ein Sujet geeinigt. Das bedeutet Verteilerpflege. Wem wünschen wir etwas, wem wünschen wir doch nichts. Ebenfalls vierwöchiger Abstimmungsbedarf, mindestens. Wir arbeiten also schon seit Mitte November dran. Der Versand ist so zu organisieren, dass unsere Wünsche zu Beginn der letzten Arbeitswoche ankommen werden.
Dann passiert es! Verdammt nochmal, warum schreibt mir da wieder jemand, den ich nicht auf meinem Verteiler hatte. So, zurück an den Start, es ist Weihnachtszeit, da wird nicht geflucht. Schön, da hat mir jemand geschrieben, an den ich nicht gedacht habe. Also, schnell eine nette Antwort per E-Mail verfassen, damit sie noch rechtzeitig ankommt.
Schließlich widme ich mich der letzten Aufgabe, den privaten Weihnachtswünschen. Die werden per SMS erledigt, so um den 20. Dezember. Da bin ich nicht zu früh und schon gar nicht zu spät. Und SMS ist heutzutage höchstpersönlich. Trifft den Empfänger mitten im Leben und nicht in einem hässlichen Postkasten.
Heute ist der 23. Dezember. Alle vorweihnachtlichen Kommunikationsaufgaben sind praktisch erledigt. Stille kehrt ein. Und morgen abends weiß ich, ob ich den Brief ans Christkind richtig verstanden habe ….