Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sorgte diese Woche auch in Österreich für gehörige Aufregung. Dabei hatte er nichts Ungewöhnliches getan. Er stellte schlicht und einfach einen neuen Zivilschutzplan für die Bevölkerung seines Landes vor. Zivilschutzpläne sowie deren Aktualisierung und gelegentliche Neufassung gehören zum Standardrepertoire hochentwickelter Staaten. Es ist auch Standard, diese Pläne und allfällige Neufassungen den Bürgern zur Kenntnis zu bringen. Schließlich müssen die Leute wissen, was im Ernstfall zu tun ist.
Zivilschutzpläne umfassen Maßnahmen für Notfälle aller Art, von Erdbeben über verheerende Unwetter sowie Brandkatastrophen bis zu Störfällen in Atomkraftwerken oder Zusammenbrüchen des Stromnetzes aus technischen oder anderen Gründen. Landesregierungen, Stadtverwaltungen, Feuerwehren, Krankenhäuser und die Polizei sind in solche Pläne eingebunden. Und natürlich auch die Bürger, denen geraten wird, für Notfälle bescheidene Vorräte anzulegen; ein paar Flaschen Wasser, Konserven, Batterien, und was man eben sonst noch braucht, wenn einige Tage die Supermarktversorgung ausbleibt und der Strom nicht aus der Steckdose fließt. Es kann ja etwas passieren. Und es geschieht tatsächlich immer wieder Unvorhergesehenes wie die Wetterkapriolen des diesjährigen Sommers zeigen, die Wohngebiete und die öffentliche Infrastruktur stark beschädigten.
Normalerweise ruft die Präsentation eines Zivilschutzplans mäßige Aufmerksamkeit hervor. Es gibt ein paar mittelgroße Berichte, einige eher verhaltene Debatten in Social Media. Nicht mehr. Dieses Mal waren die Reaktionen hypertroph. In Foren und analogen Medien wurden die Möglichkeit bevorstehender Katstrophen und die Notwendigkeit von Hamsterkäufen diskutiert, Oppositionelle warfen de Maizière Panikmache vor und die Mineralwasserregale mancher Supermärkte leerten sich bemerkenswert schnell. Alles untrügliche Zeichen, dass sich der Gemütszustand der Bürger von der gewohnten Normalität entfernt. Dem Eintreffen schlechter Nachrichten wird eine hohe Wahrscheinlichkeit zugeordnet. Im Zweifelsfall ist man Pessimist.
Wir hören, was wir hören wollen. Nicht bewusst, aber unbewusst beeinflusst unsere Stimmung die Wahrnehmung. Aus einer Erzählung picken wir genau jene Details heraus, die das aktuelle Lebensgefühl unterstützen. Wer sich sicher fühlt, wird einen neuen Zivilschutzplan als Dienstleistung des Staates schätzen und zur Tagesordnung übergehen. Wo hingegen Angst und Unsicherheit sitzen, ist Panik nicht weit. Daher sind die Reaktionen ungewöhnlich, aber keineswegs überraschend.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik