Die intensive Diskussion um das Demonstrationsrecht zeigt, dass die demokratischen Strukturen in Österreich nach wie vor in Ordnung sind. Wahrscheinlich sind sie in einem weitaus besseren Zustand, als das zuweilen lautstarke populistische Geschrei vermuten lassen würde. Wer sich in seinen Rechten oder in seiner Weltanschauung verkürzt fühlt, wer seinen Protest gegen Maßnahmen der Regierung ausdrücken will, der hat die Möglichkeit – nach Vorgabe der Gesetze – deswegen auf die Straße zu gehen. Natürlich stören Demonstrationen, zumindest jene, gegen die sie gerichtet sind. Jene, deren Wege eine Demonstration gerade kreuzt und sie aufhält, sind ebenfalls nicht begeistert. Das ist verständlich.
Demonstrationen einzuschränken, weil sie stören, hieße, sich von einem demokratischen Grundrecht zu verabschieden. Das darf nicht geschehen. Eine Anpassung jedoch könnte durchaus sinnvoll sein. Das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, in dem unter anderem die Versammlungsfreit verankert ist, geht auf die Monarchie zurück. Es wurde im Dezember 1867 infolge des vorangegangenen Ausgleichs mit Ungarn in Kraft gesetzt, seine Inhalte von der Ersten Republik in Verfassungsrang übernommen.
Die Regelung stammt also aus der kommunikationstechnischen Steinzeit. Sie kannte das Briefgeheimnis und die Meinungsfreiheit, aber nicht Mobiltelefonie und Social Media. Und sie kannte auch keinen Städtetourismus und keine Einkaufssamstage. Internationale Normen, die das Gesetz ergänzen, haben zumeist auch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Dass Behörden Einfluss auf die Wege eines Demonstrationszugs nehmen, ist also okay, wenn dennoch die angestrebte Öffentlichkeitswirkung der Versammlung erzielt wird. Die Sperre einer einzelnen Straße sollte also möglich sein, eine Verbannung auf die Donauinsel nicht.
Gleiches gilt für den Abstand zwischen Demonstrationen und allfälligen Gegenkundgebungen und die Frage, wer für Sachschäden aufkommt. Im Sinn der Demokratie kann gar nichts Besseres passieren, als das Für und Wider von Anpassungen im öffentlichen Diskurs zu klären. Es sollte aber auch nichts Schlechteres passieren. Das Recht für Überzeugungen auf die Straße zu gehen ist zu wichtig, um es scheibchenweise verwässern oder abschaffen zu lassen. Es ist daher auch notwendig, darauf aufzupassen, dass die Demonstrationsfreiheit auch künftig uneingeschränkt für alle und nicht nur für politische Freunde gilt.
Autorin:
Mag. Helga Tomaschtik