Social Bots: Sie tun, als ob

Zu den herausragenden Möglichkeiten, die Social Media bietet, gehört, dass jeder so tun kann, als ob: Einer, der bevorzugt am Sofa spazierensitzt, kann sich als Sportskanone präsentieren. Eine etwas schüttere Haarpracht ist mit einigen Mausklicks in eine beeindruckende Mähne verwandelt. Ein paar Kilos zu viel verschwinden dank entsprechender Bearbeitungsprogramme. Naja, soll sein. Der Überprüfung im realen Leben hält die Camouflage ohnehin nicht stand.

Die Schummelei im Netz geht noch einen Dreh weiter. Social Bots, Bot steht als Abkürzung für Robot, sind ganz und gar erfundene Identitäten. Die Programme, die sie steuern, sind mittlerweile so gut, dass sie selbst in einer kurzen Unterhaltung nicht enttarnt werden. Ein solcher Bot kann für sich genommen nicht viel ausrichten. Der Charme besteht darin, Social Bots zu zehntausenden zu bündeln und auf die Netzgemeinde loszulassen. Dort können sie vieles bewirken. Sie promoten zum Beispiel ein Produkt, gaukeln einen Modetrend vor oder präsentieren täuschend ähnlich eine kochende Volksseele.

Social Bots sind daher in Wahlkämpfen und bei politisch heiklen Entscheidungen ein Thema. Sie waren beim Brexit und im US-Wahlkampf im Einsatz, und sie werden vermutlich auch bei den laufenden und kommenden Wahlen in Europa eine Rolle spielen. Analysen des Nutzerverhaltens sind in der Lage, Bots mit einer hohen Treffgenauigkeit zu identifizieren. Wenn ein Bot über einen kurzen Zeitraum pro Tag eine dreistellige Anzahl an Tweets verschickt und dann in Schweigen verfällt, handelt es sich höchstwahrscheinlich um ein gefaktes Profil. Desgleichen, wenn hunderte Bots auf dieselbe IP-Adresse zurückzuführen sind. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, wer die Bots steuert.

Was Bots bewirken, ist hingegen besser bekannt. Sie können Themen setzen und unter Umständen auch eine Mehrheitsmeinung simulieren. Das haben sie bewiesen. Nun dürfen Bots nicht an der Wahlurne abstimmen. Doch sie können sehr wohl die Handlungen von Entscheidungsträgern beeinflussen. Politiker können versucht sein, ihre Themensetzung zu überdenken. Journalisten nehmen die Inhalte der gefakten Nachrichten womöglich auf und unterstützen unabsichtlich die Kampagne der Bot-Betreiber. Oder die Nutzer fallen darauf herein nach dem Motto: Wenn so viele das Gleiche vertreten, muss es stimmen.

Autorin:

Helga Tomaschtik

Mag. Helga Tomaschtik

Social Bots: Sie tun, als ob

Leave a Reply